Forschungsprojekt 'UVP-Bewertungskonzept'

logo vwVolkswagen-Stiftung (1995 - 1998)

Das Projekt wurde von Dr. Hartlik als UVP-Arbeitsgruppenleiter im SYNÖK-Institut Barsinghausen und Hauptbearbeiter unter Leitung von Prof. Dr. Arnim Bechmann bearbeitet. Das Projekt umfasste die Entwicklung eines konsistenten UVP-Bewertungssystems mit folgenden Arbeitsphasen:

  • Zusammenstellung von fachlichen Bewertungsverfahren,

  • Zusammenstellung von rechtlichen Bewertungsmaßstäben,

  • Integration in das rechtliche Normensystem,

  • Erarbeitung einer standardisierten, flexiblen Handlungsanleitung,

  • Aufbau von strukturiertem Sachwissen und umfangreichen Datenbanken,

  • Integration der 17 Bände in ein Gesamtsystem,

  • Erstellung einer computergestützten Projektdokumentation auf CD-Rom.

     

Die zentralen Ergebnisse des zwischen 1995 und 1998 durchgeführten Forschungsprojektes, das durch die Volkswagen-Stiftung gefördert wurde, werden im folgenden kursorisch dargestellt. Das Projekt wurde von einem Autorenteam des SYNÖK-Instituts bearbeitet. Hauptbearbeiter waren dabei Prof. Bechmann und Dr. Hartlik.

Da im Rahmen des Projektes auch umfangreiche Daten- und Methodenbanken erstellt wurden, deren Ausdruck für sich genommen bereits mehr als zehn Aktenordner umfasst, wurden die Ergebnisse als computergestützte Projektdokumentation (CPD) auf CD-ROM veröffentlicht.

Das Forschungsvorhaben „Entwicklung eines Bewertungskonzeptes zur Verwendung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung“ stellt die Bewertung von Umweltauswirkungen und damit zentrale Punkte in der umweltpolitischen Diskussion in den Mittelpunkt: Wie viel ist Natur in der Gesellschaft wert, wo ist die Grenze zu ziehen zwischen den Umweltbelastungen, die noch akzeptabel und auf der Basis von Recht und Gesetz legitimierbar sind, und solchen, die aus umweltpolitischer Sicht nicht zu­lässig sind?

Die Forschungsarbeit beginnt mit der Analyse des rechtlichen Rahmens. Die Untersuchung des UVP-Gesetzes und der UVP-relevanten Rechtsvorschriften vor dem Hintergrund einer mehr als 25-jährigen Entstehungsgeschich­te sowie aktueller rechtlicher Entwicklungstrends zeigt, dass

  • sich das UVP-Anforderungsprofil sowohl in rechtlicher als auch in inhaltlicher Sicht sehr differenziert gestaltet und die bisher übliche Zulassungspraxis um neuartige Ver­fah­renselemente und Inhalte ergänzt,

  • das UVP-Gesetz als ein „Umweltgesetz der zweiten Generation“ mit einem medienüber­grei­fenden, integrativen Ansatz Anforderungen stellt, die nicht ohne weiteres zu erfüllen sind - insbesondere dann, wenn keine begleitenden Maßnahmen zur effektiven Institutionalisierung ergriffen werden,

  • das UVP-Gesetz in den Rechtskommentaren ebenso wie in den Gerichtsurteilen in seinen Implikationen für das deutsche Planungs- und Zulassungsrecht kontrovers im Hinblick auf seine materiellrechtlichen Konsequenzen betrachtet wird,

  • das die UVP oder zumindest das Prinzip der Umweltfolgenabschätzung als umweltpolitisches Instrument an Bedeutung auf deutscher wie auf europäischer Ebene zunehmen wird.

Der so aufgespannte Rahmen wird anschließend auf seine Praxistauglichkeit überprüft. Hier stehen die beiden Hauptakteure des UVP-Verfahrens, die zuständige Behörde und der Gutachter, der in der Regel vom Vorhabenträger für die Erarbeitung der Antragsunterlagen herangezogen wird, im Zentrum.

Als Analyseergebnis der UVP-Praxis zeigt sich, dass

  • die Praxis der Behörden offenbar in wichtigen Bereichen bzw. Verfahrenselementen nicht dem aufgezeigten Anforderungsprofil entspricht,

  • in der Praxis der Gutachter allem Anschein nach methodische Konzepte zur Umweltfolgenabschätzung dominieren, die nicht ohne weiteres mit den strukturellen Anforderungen des UVP-Rechts kompatibel sind und darüber hinaus häufig auch rechtlich klar konkretisierte Inhalte unbeachtet bleiben,

  • sich das Praxisdefizit mithin als tiefergehendes, strukturelles Problem offenbart, das nur durch ein breites Maßnahmenbündel und mit Hilfe einer Reihe von Reformimpulsen angegangen werden kann.

Neben diesen Erkenntnissen auf der Basis von Rechtsanalysen, Literaturrecherchen und Fallstudienuntersuchungen ergeben sich auch durch die begleitend durchgeführten Workshops und Fachgespräche bzw. Seminare wichtige Einsichten:

  • Die zuständige Behörde nimmt die ihr vom Gesetz zugedachte Rolle als „Herrin des Verfahrens“ häufig nicht wahr. Um anspruchsvolles Recht wie das der Umweltverträglichkeitsprüfung zu vollziehen, sind entsprechend sachkompetente, verantwortungs- und selbstbewusste Behörden notwendig. Dies ist häufig nicht gegeben. Vielmehr existiert eine Asymmetrie des Wissens, die durch einen Informationsvorsprung des Vorhabenträgers charakterisiert ist.

  • Die Gutachterpraxis muss sich den Rechtsvorschriften dort anpassen, wo Inhalte und Struktur der vorzulegenden Antragsunterlagen entsprechend klar konkretisiert werden. Dies bedingt eine stärkere Auseinandersetzung der Gutachter mit den Rechtsgrundlagen, als es anscheinend Praxis ist.

  • Das Recht belegt zum Teil allgemeine Begriffe wie etwa den der „Bewertung der Umweltauswirkungen“ (§ 12 UVP-Gesetz), was zu Problemen führen kann. Der Bewertungsbegriff als solcher mit seiner Anbindung an die Bewertungstheorie als Wissenschaftsdisziplin kann durch eine Verwendung im Rahmen eines Gesetzes nicht in einer solchen Art und Weise blockiert werden, dass er beispielsweise im Rahmen von Gutachten nicht mehr verwendet werden darf.

  • Das UVP-Recht „lebt“ von der regulativen Idee des Paragraphen 1, der eine wirksame Umweltvorsorge auf der Basis einer einheitlichen Vorgehensweise in das Zentrum rückt. Die vom Gesetzgeber intendierte umweltvorsorgeorientierte Optimierungsfunktion, nach der das UVP-Gesetz ausstrahlenden Charakter auf die unbestimmten Rechtsbegriffe des Fachrechts wie dem des Allgemeinwohls hat, bringt mit sich, dass es bei vielen UVP’s im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit keine eindeutig definierte Zulässigkeitsgrenze geben kann: Der Interpretationsspielraum unbestimmter Rechtsbegriffe etwa im Rahmen UVP-pflichtiger Planfeststellungsverfahren macht jede UVP-Bewertung zur Einzelfallbetrachtung und somit ungeeignet für unflexible Standardisierungsversuche.

  • Die Bewertung der Umweltauswirkungen nach § 12 UVP-Gesetz muss sich nach der Maßgabe geltender Gesetze richten. Die Anbindung an das fachrechtliche Normensystem mit einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe eröffnet für die Auswahl der Bewertungsmaßstäbe alle Möglichkeiten: Durch die Anbindung fachlicher Wertmaßstäbe im Rahmen der normalen Gesetzesauslegung an diese unbestimmten Rechtsbegriffe lassen sich Vorsorgeaspekte durch entsprechende Maßstäbe in vielen Fällen relativ problemlos realisieren. Auch die einzelfallbezogene Entwicklung entsprechender Maßstäbe durch den Gutachter ist - bei Gesetzeslücken bzw. mangelnder Konkretisierung - durchaus vorstellbar bzw. notwendig.

  • Eine bessere Integration der unterschiedlichen, aber dennoch mit gleicher Zielrichtung agierende Verfahren wie UVP, Eingriffsregelung und Verträglichkeitsprüfung nach Fauna- Flora- Habitat- EG- Richtlinie erscheint zur Aufwertung des allgemeinen Instrumentes „Umweltfolgenabschätzung“ angeraten. Darüber hinaus ist auch eine Harmonisierung der verschiedenen unter­gesetzlichen UVP-Regelungen anzustreben. Das Beispiel Straßenplanung zeigt, das immer neue UVP-bezogene Instrumente geschaffen werden, die teilweise weder untereinander noch mit dem UVP-Gesetz kompatibel sind.

Aufbauend auf den dargestellten Erkenntnissen und basierend auf einem theoriegestützten Bewertungsmodell ist eine Operationalisierung der Vorgehensweise bei der Bewertung in Form eines Handlungsprogramms aus Sicht einer zuständigen Behörde ein erfolgversprechender Lösungsansatz.

Die rechtsgestützte fachliche Bewertung der Umweltauswirkungen als in Arbeitsschritte zer­leg­tes Handlungsprogramm bietet als Problemlösung eine ganze Reihe von Vorteilen:

  • Es beinhaltet Musterlösungen für bestimmte immer wiederkehrende Arbeitsroutinen und Aufgaben.

  • Den Arbeitsschritten lassen sich strukturierte Wissenssammlungen und Datenbanken zuordnen, die in der Lage sind, die Bewertungsaufgabe effektiv zu unterstützen.

  • Es bietet die Basis für eine flexible Standardisierung der Vorgehensweise bei der Bewertung.

Beinah zwangsläufig ergaben sich die weiteren Schwerpunkte für das Forschungsprojekt. Sie lagen im wesentlichen in der Strukturierung und inhaltlichen Auffüllung der einzubindenden Wissenssammlungen und Datenbanken.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sind modulartig aufgebaut und in 17 Bände gegliedert, die jeweils bestimmten Themenkomplexen zugeordnet sind. Einen Überblick über diese Berichtsstruktur einschließlich inhaltlicher Querbezüge enthält die folgende Tabelle. Die einzelnen Berichtsbände stehen dabei nicht isoliert nebeneinander, sondern weisen Querbezüge auf, die durch Pfeile in der Tabelle grob angedeutet sind.

Der Themenkomplex Fachliche Grundlagen umfasst

  • die Darlegung der Fragestellungen und Leitideen, die dem Projekt zugrunde liegen (Band 2),

  • die Darstellung allgemeiner theoriebezogener Grundlagen zur Bewertung, die noch nicht die spezielle Thematik der Bewertung von Umweltfolgen einbezieht und auf den Bewertungsprozess als solchen eingeht (Band 3),

  • die Beschreibung des Bewertungskonzeptes, wie es die Regelungen des UVP-Rechts vorsehen, sowie eine Analyse der UVP-Praxis, wie sie sich durch Zulassungsbehörden, Vorhabenträger und Gutachter eingespielt hat (Band 4),

  • eine Handreichung zur Rechtsprechung, die einen Überblick über die wichtigsten Rechtsurteile zur UVP gibt und eine Einführung zu Aufgaben und Funktion der Rechtsprechung enthält (Band 5),

Unter dem Themenkomplex Handlungsanleitung werden der Ablauf der rechtsgestützten fachlichen Bewertung der Umweltauswirkungen (Band 6) und die Berücksichtigung der Bewertung im Rahmen der planerischen Abwägung (Band 7) strukturiert.

Der Themenkomplex Strukturiertes Sachwissen und Datenbanken umfasst mehrere Wissenssammlungen, die einerseits als Loseblattsammlungen in Aktenordnern und andererseits als EDV-gestützte Datenbank vorliegen:

  • Rechtliche, fachliche und politische Wertmaßstäbe (Band 9-13):

    • Band 9:        Rechtliche Wertmaßstäbe nach § 12 UVPG,

    • Band 10:      Umweltbezogene rechtliche Wertmaßstäbe,

    • Band 11:      Ökologische Bewertungsverfahren fachwissenschaftlicher Herkunft,

    • Band 12:      Umweltqualitätsziele zum Schutzgut Luft,

    • Band 13:      Politische Wertmaßstäbe.

  • Rahmenskalen und Bewertungsskalen, die eine UVP-gemäße Umsetzung von Normen oder fachlichen Wertmaßstäben enthalten (Band 14),

  • Aggregationstechniken, die verschie­de­ne Teilbewertungen nach einem definierten Algorith­mus zu einem Gesamturteil verknüpfen (Band 15),

  • UVP-relevante Rechtsurteile (Band 16).

Mit dem Themenkomplex Erfahrungen werden die Bereiche angesprochen, die kein unmittelbares Sachergebnis im engeren Sinne darstellen (Band 17). Hier handelt es sich mehr um projektbegleitende Erfahrungen, die die Bearbeiter sammeln konnten. Darüber hinaus werden Bestandteile des Forschungsvorhabens dokumentiert, die nicht Gegenstand der bisher genannten Bände sind.