Bund für Naturschutz in Bayern (2003)
Im Auftrag des BUND Bayern (Kreisgruppe München) wurden die Antragsunterlagen zum Neubau des Fußballstadions des FC Bayern München auf Vollständigkeit und fachliche Plausibilität untersucht. Hierfür ist zunächst ein Raumordnungsverfahren (abgeschlossen im November 2001) sowie anschließend ein Flächennutzungsplan-Änderungsverfahren (Beschluss im Juli 2002) mit jeweils integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Schließlich wurde das Bebauungsplanverfahren eingeleitet und der Bebauungsplan am 2.10.2002 durch den Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung beschlossen.
Verfahrensmäßig ist u.a. zu bemängeln, dass es auf der Ebene der Raumordnung keinen für Dritte transparenten und nachvollziehbaren Prozess des Standortalternativenvergleichs gab. Das ROV wurde um einen gravierenden Abwägungsgesichtspunkt beschnitten. Der Variantenvergleich wurde - soweit ersichtlich - nicht unter Beteiligung der Träger öffentlicher Belange einschließlich der anerkannten Umweltverbände durchgeführt.
Auf der Ebene des Bebauungsplanverfahrens ist insbesondere die Vorgehensweise bei der Öffent-lichkeitsbeteiligung zu kritisieren. Die nach BauGB vorgesehene frühzeitige Bürgerbeteiligung wurde zwar durchgeführt. Allerdings ohne den in diesem Verfahrensschritt üblicherweise vorzulegenden Umweltbericht, der die wesentlichen Angaben zu den Umweltauswirkungen enthält, anhand derer die Bevölkerung sich ein Bild über die eigene Betroffenheit verschaffen soll. Inwieweit noch eine ergänzende Umweltverträglichkeitsstudie auf der Ebene der Baugenehmigung erfolgt bzw. erfolgt ist, entzieht sich der Kenntnis des Verfassers.
Insgesamt ist an den Planungsverfahren der verschiedenen Stufen (Raumordnung, Flächennutzungsplan, Bebauungsplan und Baugenehmigung) in erster Linie die mangelhafte Abschichtungsleistung, die mit der UVP verbunden ist, negativ zu beurteilen. Die Beschreibung des eigentlichen Vorhabens während aller Planungsstufen reduziert sich auf die Angaben zur Anzahl der Sitzplätze, der PKW- und Busstellplätze sowie des Gesamtflächenbedarfs für das Baugrundstück. Dies ist für eine transparente, nachvollziehbare und für Dritte vor Allem die Betroffenen - Darstellung der Umweltauswirkungen ungenügend.
Bezogen auf die Inhalte der Umweltverträglichkeitsstudien der jeweiligen Planungsstufen ist festzustellen, dass durch die bereits angesprochene nicht ausreichende Konkretisierung der Vorhabensplanung eine zuverlässige und nachvollziehbare Darstellung der Umweltauswirkungen nicht möglich ist. Sowohl die UVS im Flächennutzungsplanänderungsverfahren als auch der Umweltbericht gemäß BauGB enthalten gravierende fachliche Mängel, die eine Überarbeitung nahe legen.
Auf der Ebene der Umweltverträglichkeitsstudie im Flächennutzungsplanänderungsverfahren ist insbesondere die fachlich unzureichende Behandlung der Auswirkungen auf das Landschaftsbild zu beanstanden. Ein Verzicht auf die Beurteilung des Landschaftsbildes im Rahmen der Bestandsbewertung mit der Begründung, dass es sich hier um eine subjektive Einschätzung handele, die zu keinen aussagefähigen Unterschieden in der Belastungsprognose führen würde, ist weder fachlich haltbar noch spielt ein derartige Argumentation in der UVS-Praxis eine Rolle. Dort ist die Landschaftsbildbewertung vor und nach einem Eingriff zur Ermittlung der Auswirkungsintensität Routinearbeit.
Ein grundsätzliches Problem stellen die in der UVS berücksichtigten sogenannten „potenziellen Vorbelastungen“ dar. Dieser Begriff, den weder das UVP-Gesetz noch die UVP-Verwaltungsvorschrift kennt und der auch für die Gutachterpraxis neu sein dürfte, wird im Rahmen der Auswirkungsbetrachtung für die Schutzgüter Boden, Wasser, Luft/Klima und Landschaft herangezogen, um die tatsächlichen Folgen des Stadionneubaus und der Zusammenhangsmaßnahmen zu relativieren. Die UVP-Verwaltungs¬vorschrift sieht die Berücksichtigung von Vorbelastung ausdrücklich vor. Diese beziehen sich aber auf aktuelle Vorbelastungen. Außerdem sind die Vorbelastungen erst im Rahmen der Bewertung der Umweltauswirkungen, die originäre Aufgabe der Behörde ist, vorzunehmen. Potenzielle Umweltauswirkungen von möglichen Vorhaben, über deren Realisierung noch nicht entschieden ist und für die ggf. separate Umweltverträglichkeitsprüfungen notwendig sind, als ‚zukünftige Beein-trächtigungen’ anzurechnen, kann weder rechtlich noch fachlich vertreten werden.